In Zeiten, in denen eine ständig steigende Anzahl von Filmen ins Kino gebracht wird, braucht es engagierte Programmkinomacher*innen, die in diesem Überangebot und der damit einhergehenden Unübersichtlichkeit Orientierung schaffen.

Unsere Initiative setzt sich dafür ein, zumindest ein klein wenig von der enormen Vielfalt des Kinos und seinen oft übersehenen Qualitäten abzubilden. Meist handelt es sich dabei um so genannte Nischenfilme, die im heiß umkämpften Marktgeschehen untergehen, es aber verdienen, im Kino entdeckt und gewürdigt zu werden. Sie können den Blick und das Gehör schärfen und helfen, verlorene Wahrnehmung zurückzugewinnen.

Positionen

  • Ein Sehen und Hören, das mit Aufmerksamkeit, Achtung und Respekt dem Sichtbaren und Hörbaren gegenübertritt, weshalb fremdsprachige Filme immer in der jeweiligen Originalfassung mit Untertiteln gezeigt werden.

  • Im Kino Filmen begegnen, die jenseits des Gängigen und der eingefahrenen Sehgewohnheiten liegen.

  • Filme, die Filmemacher*innen und Zuschauer*innen auf die gleiche Stufe stellen, die nicht mit den Gedanken und Gefühlen des Zuschauers spielen, ihm nicht vorschreiben, was er zu denken und zu fühlen hat, sondern ihm Räume eröffnen, in denen er selbstständig mit sämtlichen Sinnen spazieren gehen kann. No ponderous cargo of meaning, no meaning at all (Lawrence Raab (*1946, amerik. Dichter))

  • Ins Kino kommen mit der Haltung, nicht gleich alles verstehen zu wollen, was dort zu sehen und zu hören ist.

  • Ins Kino gehen, das Gewohnte verlassen, sich im Kinodunkel in eine andere, eine Traumwirklichkeit versetzen. Lust, sich einzulassen auf eine unbekannte Sprache. (Helmut Färber (*1937, Autor, Publizist, Filmhistoriker))

  • Nicht die Handlung, die Geschichte sind an einem Film das Intensivste und am intensivsten Wirksame, sondern das, was vor ihr und durch sie hindurchwirkt: Bilder und Räume, Vorübergehendes, kaum Bewusstes, Lichter und Schatten; die Zweige, die sich im Wind bewegen. (Helmut Färber)

Geschichte

Die Weiße Wand – Unabhängige Initiative für Film und Kultur e.V. wurde im März 2005 in Wangen im Allgäu gegründet. Sie hat ihren Ursprung in der „Freien Volkshochschule Argental e.V.“ (FVA), die 1980 als Zweigstelle der von Joseph Beuys initiierten „Free International University“ (FIU) gegründet und zum Ende des Jahres 2004 aufgelöst wurde. Die Initiative ist entstanden aus dem Anliegen, das von der FVA begonnene Vorführen von ausgewählten Filmen im Kino in Zusammenarbeit mit dem Lichtspielhaus Sohler in der Lindauer Straße unter neuem Konzept fortzuführen.

Bernd Volk (1953-2018) – Gründungsmitglied und lebenslang treuer Mitstreiter beider Organisationen – hat sich in seinem bildkünstlerisch-installativen Werk eingehend mit Wäscheplätzen beschäftigt, was sich wiederum in den Weiße-Wand-Beiträgen zur alljährlichen Wangener Kulturnacht niedergeschlagen hat, wo Wäschelaken weiterhin Projektionsflächen abgeben.

Namensgebung

Der Name Weiße Wand stammt aus einem Film von Wim Wenders: IM LAUF DER ZEIT. Er handelt vom Kino und vom damaligen Kinosterben in Westdeutschland entlang der Grenze zur DDR. Am Filmende taucht aus dem Dunkel der Nacht die Leuchtschrift eines Kinos mit dem Namen „Weisse Wand“ auf, von der nur noch die Buchstaben „E“, „N“ und „D“ erleuchtet sind. Das Ende des Films markierenden Schlussbildes ist der Anfang der Filminitiative Weiße Wand, die wir 2005 – 30 Jahre nach den Dreharbeiten von IM LAUF DER ZEIT – ins Leben gerufen haben.

Es geht in IM LAUF DER ZEIT um den Wunsch oder die Frage, ob das Kino sich noch häuten kann zu etwas, das den Menschen dienlich ist… Das Kino stirbt, aber dass es danach eine Form gibt, die etwas Menschenwürdiges hat. Das ist die Sehnsucht, die hinter dem Film steht. Eine weiße Wand ist für mich etwas, wo man wieder etwas Neues draufwerfen kann. Das ist für mich die Utopie, die in dem Film drin ist. (Wim Wenders, 1976)

Stimmen

Filme, dessen Bilder auf das Publikum zurückblicken und dabei helfen zu sehen, was in einem selbst verborgen und unerweckt lebt. (Patrick Holzapfel (*1989, Filmpublizist, Betreiber des Blogs „Jugend ohne Film“))

Eine Erneuerung müsste das Kino sein und eine Verwandlung. Das Vertraute würde dem Menschen fremd und das Ersehnte erfahrbar scheinen, und die Welt würde anfangen, aufs Neue zu sprechen in Bildern und Tönen. (Hans Hurch (1952-2017, Filmpublizist, langjähriger Direktor der Viennale))

Filme sind eine kulturelle Ausdrucksform, und integraler Bestandteil einer Kultur ist die Sprache. Selbst wenn man eine Sprache nicht selber spricht, so kann man über ihren Klang vieles von einer anderen Kultur wahrnehmen. Bei Filmen ist ja das Wunderbare, dass sie die Ganzheit einer Kultur vermitteln können, wenn man sie so belässt, wie sie sind. Also im Original. (Walter Ruggle (*1955, Publizist, Direktor von trigon-film))

Spielrahmen der Weißen Wand

Im Jahr erscheinen drei Programme, in der Regel mit sechs Filmen. Spieltage sind Montag und Dienstag, jeweils um 20.15 Uhr, im 14-Tage-Rhythmus. Im August finden keine Vorführungen statt.

Der Eintrittspreis beträgt 8 Euro, für Mitglieder 7 Euro. Bei Filmen mit Über­länge, Spezial-Projektionen (z.B. in 3D) und Sonderveranstaltungen wird der Preis entsprechend angepasst.

Spielort ist meist das Studio mit 76 Sitz­plät­zen im Lichtspielhaus Sohler in der Lindauer Straße 7, das wir für diese Abende gemietet haben. Unterstützt wird die Weiße Wand durch ihre Mit­glie­der, die Stadt Wangen und die Film­för­derung des Landes Baden-Württem­berg (MFG).

Die Filmauswahl trifft ein kleines Gre­mi­um aus Cine­philen und Film­for­schen­den, das sich laufend weiterbildet, mit be­son­derem Fokus auf Filmfestivals in Wien (Viennale), Locarno, München (Underdox) und Basel (Bildrausch). Die unentgeltlich geleistete, inhaltlich und wirtschaftlich unabhängige Arbeit der Weißen Wand ist nur möglich durch das ehrenamtliche Engagement der aktiven Mitglieder und durch ein Kinopublikum, das unser Angebot mit Interesse und Begeisterung annimmt und zu schätzen weiß.

Kinokultur

Vom Tod des Kinos und von seiner Wiederauferstehung ist im Lauf der Zeit immer wieder die Rede gewesen und heute wieder in Anbetracht der vielen Online-Angebote bzw. Streamingdienste. Diese sind aber keine wirkliche Alternative zum Kino, sondern nur eine weitere Bereicherung und Auswahlmöglichkeit.

Angesichts der Notwendigkeit seiner Existenz sind wir der Auffassung, dass es sich lohnt, das Kino neu zu entdecken, am Kino weiter zu arbeiten und sich der Pflege einer Kinokultur zu widmen.



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